Dienstag, 5. Juli 2011

Thailine


Ein tolles Gefühl kurz vor der Landung dunkles urwaldgrün unter sich zu sehen und zu wissen, dass man die letzten kalten Monate in Deutschland schon hinter sich hat.
Nach zwei Tagen Bangkok ging es sofort mit dem Bus runter nach Südthailand,
Krabi – Tonsai Beach.

Jeder kennt die Bilder von weißen Stränden, hellblauem Ozean und Kalksteintürmen mit Stalaktiten. Mein Budget war mal wieder klein, also schlief ich die ersten Nächte mit Hängematte, Moskitonetz und Tarp im Wald.

Ich beschloss mich erst einmal auf einen Waterlinespot zu konzentrieren von dem ich gehört hatte. Abends, in einer der vielen Bars, lernte ich Preston Alden, Terence O´Neill, Jacy Jacobson und Travis Kuester aus Colorado kennen. Sie hatten den Waterlinespot bereits gefunden, ihnen fehlte aber der nötige Flaschenzug, wir schlossen uns also zusammen.
Am nächsten Morgen stand ohne große Probleme die 24er Waterline an je drei völlig verrosteten Haken, die Line ist bei Ebbe ca. 4m hoch. Mir gelang der Os Fm auf Anhieb, die Amis hatten daran zu beißen, wurden aber schnell besser. 


Mein Projekt, eine Highline zu spannen, rückte erst mal in den Hintergrund.

Wir verbrachten die nächsten zwei Wochen mit Klettern, Deepwatern und Waterlinen. Dann verabschiedeten sich meine neuen Freunde.
Ich suchte mir einen Highlinespot aus, der mir machbar schien. Mein Ausgangspunkt sollte eine Scharte zwischen zwei Felsen sein, die dicht mit Wald bewachsen ist. Ich fragte einige der ansässigen Thais, wie ich am besten dort hinkommen könnte. Sie warnten mich vor allen möglichen Gefahren und rieten mir davon ab. Einer gab mir eine Machete, die Ich noch am Abend so gut ich konnte schärfte.


Mit der Machete versuchte ich mich in Richtung Scharte hochzuarbeiten. Schwerer als ich dachte, gegen trockenen Bambus und dünne Lianen konnte ich mit der Machete nichts anrichten... Nach Stunden stieß ich auf eine senkrecht Wand, genannt Thaiwand Wall. An der Wand war reger Kletterbetrieb. Ich hatte die Scharte verfehlt, weil ich mich zu stark rechts gehalten hatte. Die Kletterer waren natürlich über einen normalen Wanderweg gekommen. Diesen ging ich zurück zum Strand, das dauerte keine 10 Minuten. Mir schien es einfacher von der Wand einen Weg nach links in die Scharte zu suchen. Die Thais hielten das für ausgeschlossen und für die Leihgabe der Machete wurden mir 100Bt berechnet.
Mit leichtem Gepäck fand ich am nächsten morgen aber doch einen ca. 30m langen Quergang, der leicht zu klettern war. Endlich der erste Einblick, die andere Seite hatte scheinbar Möglichkeiten Schlingen für einen Ankerpunkt zu legen. Die Seite auf der ich mich befand allerdings nicht, ich brauchte also eine Bohrmaschine und Haken.
In Tonsai gibt es große Probleme mit rostenden Haken, es wird viel saniert, also gibt es auch Bohrmaschinen. Hilfsbereite Leute gab es aber wenige. Ich wurde kaum ernst genommen und von den Amis auf die Deutschen verwiesen und diese wiederum wünschten mir nur viel Glück. 
 
Ein russisches Team bohrte gerade einen Gedenkweg für einen Freund ein und ich fragte auch sie. Ich solle morgen nochmal kommen, die Maschine hängt noch oben, sie nehmen abends nur die Akkus mit nach unten. Am nächsten Tag wartete ich ca. 4 Stunden bis sich einer von Ihnen (Alex) abseilte. Anscheinend merkte er jetzt, dass mir es sehr wichtig war. Die Akkus seien aber leer und der Kleber auch, also am nächsten Tag nochmal warten. Wieder 3 Stunden, jedoch keine verschwendete Zeit. Ich fing an Pfeil und Bogen herzustellen, um eine Angelschnur für eine Verbindung schießen zu können.
Alex seilte sich aus dem Überhang seiner Route und deshalb über dichtem Gebüsch ab. Ich bot ihm an, ihm mein Statikseil zu zu werfen und ihn Richtung Wand zu ziehen. Er musste meine Hilfe annehmen und ich hoffte auf seine. Zögernd übergab er mir die Maschine, Bohrer, Klebepistole, Bürste etc. und zwei Titanhaken. Ich gab ihm 1200 Baht (ca. 30€) dafür.
Es war eigentlich schon zu spät, in zwei Stunden würde es dunkel sein, aber es war meine einzige Möglichkeit.
Auf dem Weg blieb mein Rucksack an einem Ast hängen, und ich hörte ein knackendes Geräusch. Schnell öffnete ich den Rucksack. Der Ausgang der Klebepistole war gebrochen. Alles war voll mit dem rosa Klebstoff, der eigentlich angenehm süßlich riecht aber in 6min hart wird.
Rot angelaufen vor Wut opferte ich mein T-Shirt um die Mechanik der Pistole zu retten. Zum Glück hatte mir Alex noch einen zweiten Aufsatz mitgegeben, für den Fall, dass der Erste von innen aushärtet. Schnell kletterte ich die 30m Traverse. An diesem Tag war es besonders heiß.
Nächstes Problem: ich musste die Haken so setzen, dass die Line gerade wird. Dazu musste ich auf der Seite, auf der ich mich befand noch ca. 6 oder 7 Höhenmeter klettern. Sobald ich diese von der Traverse aus antreten würde, hätte ich aber schon 70m Luft unter mir und keine Möglichkeit mich zu sichern. Da gab es nichts zu überlegen, ich musste da hoch oder ich musste das Ganze sein lassen. Ich überlegte am nächsten Tag mit jemandem wieder zu kommen, der mich sichern konnte, Schlingen konnte man legen. Die Bohrmaschine musste ich aber noch an diesem Abend wieder abgeben. Ratlosigkeit.
Ich hatte auch noch keine Ahnung, wie ich auf die andere Seite gelangen sollte. Ich war kurz davor die Sache aufzugeben. Ich versuchte mich zu motivieren. Die alte Regel: einfach nicht nach unten schauen. Es war nicht sonderlich schwer. Um einen Busch konnte ich eine Standschlinge legen.


Nach dem mühsamen Einbohren seilte ich die Wand Stück für Stück ab, bis in die Scharte. Das dauerte ewig, da mein Statikseil nur 25m lang war und als ich durch das Blätterdach der Bäume kam, war schon meine Kopflampe im Einsatz. Von der Scharte konnte ich bis auf den Wanderweg abseilen. Ich lies das Seil als Einfachstrang hängen um am nächsten Tag zur Scharte jümarn zu können.

Am Abend wechselte die Maschine wieder ihren Besitzer und ich lud Alex und seinen Freund auf ein Bier in der „Small World Bar“ ein. Alex fragte mich immer wieder, warum ich die Sache allein mache, dass fragte ich mich auch. Mir wurde von mehreren Leuten Hilfe angeboten, ich weiß aber, dass es eher hinderlich ist mit irgendjemandem eine Highline aufzubauen, wenn dieser das noch nie gemacht hat. Highlinen wird von vielen Kletterern sehr unterschätzt. Ich wollte auch wissen, ob es überhaupt möglich ist, einen solchen Spot alleine einzurichten. Außerdem hatte ich Zeit.
Das Jümarn ging schnell. Ich betrachtete die zweite Wand. Es war senkrechte Kletterei, nie schwerer als 5a und immer wieder Absätze die genügend Platz boten sich auszuruhen oder sich mal wieder zu entleeren... Ich hatte seit meiner Ankunft immer wieder Durchfall.
Ich verknotete das Seil mit meinem Rucksack und kletterte um alles herum was das Seil bei einem Sturz halten könnte. Bei dem Versuch den Rucksack nachzuziehen wurde mir klar, dass diese Taktik nicht funktioniert. Der Rucksack hing schon an der ersten Kante fest. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich auszubinden und den Rucksack unten zu lassen. Das Schwierigste hatte ich schon hinter mir. Das Gelände wurde immer geneigter. Oben angekommen machte ich mich in Richtung eines Turms den ich mir als Fixpunkt ausgesucht hatte. Ich war davon ausgegangen laufen zu können, vom Strand sah es aus wie flaches Gelände. Doch die Vegetation verdeckte die eigentliche Form des Berges, eigentlich waren es hunderte von kleinen Türmen. Das machte ein Vorankommen sehr schwer. Für die 30m in die Richtung in der ich den Turm vermutete, brauchte ich knappe 3 Stunden. Ein ständiges auf- und abklettern, teilweise 10 bis 15m hoch. Die Situation war jetzt schon so mühsam, das mir am 2. Tag am Spot klar war, das Highlinen alleine so gut wie unmöglich ist. Ich wusste nicht das noch 5 weitere folgen würden.




Trockener Bambus der bricht, schneidet wie Papier. Das merkt man nicht, aber man blutet sehr stark und die Luftfeuchtigkeit lässt die Wunden einfach weiterbluten. Ich suhlte mich in Selbstmitleid als ich am Turm ankam und feststellte wie hoch er ist. Wieder überlegte ich, ob es das wert sei und ob ich es nicht einfach lassen sollte. Das Klettern am Tonsai Beach reichte als Herausforderung und es gab genügend Projekte die ich in Angriff nehmen konnte. Ich war überfordert mit der Situation, den Turm klettern zu müssen ohne zu wissen wie schwer es ist. Mir wurde auch klar, dass niemand wusste wo ich bin, falls etwas schief gehen würde. Zudem war meine Wasserflasche unten im Rucksack und mittlerweile war ich sehr durstig. Ich kehrte also um. Am nächsten Tag blieb ich am Strand, plante meine nächsten Unternehmungen genauer und baute Pfeil und Bogen zu Ende.

3. Tag:
Frisch motiviert war ich früh am Spot. Ich kletterte den selben Weg nochmal, diesmal mit Wasser und dem Seil im Rucksack. Ich kam wesentlich schneller am Turm an, da ich abseilen konnte und die Strecke jetzt kannte. Ich befestigte das Seil am Rucksack (gefüllt mit ein paar Steinen) und kletterte um einen Baum herum, der mich gefangen hätte wenn ich am oberen Teil des Turmes gestürzt wäre, es ging aber leichter als vermutet.
Ich brauchte fast eine Stunde um mich zu vergewissern, dass der Turm keine Möglichkeit bot, Schlingen zu legen. Die Entfernung zu meinen beiden Haken war jetzt optisch auch viel weiter, mindestens 45m. Ich Seilte wieder ab und suchte nach anderen Möglichkeiten.
Wäre Helmar auf der anderen Seite bei den Haken gewesen, hätte er mir leicht sagen können wo ich nach geeigneten Fixpunkte für Schlingen suchen könnte. Das wäre mit ein paar Sätzen erledigt gewesen, doch alleine musste ich einen ganzen Tag investieren, um auf die andere Seite zu gehen und selber zu schauen und dann den gefundenen Punkt auf der anderen Seite zu finden.
Ohne Erfolg seilte ich wieder ab.




Diesmal von einem Absatz, den ich unten am Turm entdeckt hatte, wieder am Einzelstrang um beim nächsten Mal jümarn zu können. Wieder ein Fehler! Das Seil endete im dichten Wald. Ich hing überall fest, dünne Lianen verfingen sich an allen Gliedmaßen, abreißen konnte man sie mit bloßer Hand nicht, ich musste sie einzeln mit meinem Taschenmesser abschneiden.
Ich hatte mich an solche Situationen mittlerweile gewöhnt und beschloss mich nicht weiter aufzuregen und es als Erfahrung zu betrachten.
Um Schlangen, von denen die Thais erzählt hatten, machte ich mir nie Sorgen. Ich wäre froh gewesen mal eine zu sehen. Sowieso gab es hier nur manchmal ein paar Gibbons in einem Feigenbaum und ein paar Streifenhörnchen, auch die sonst häufigen Makaken ließen sich hier nie blicken. Moskitos gab es natürlich reichlich. Mittlerweile war mir auch klar, dass hier sonst auch niemand hinkommt bzw. noch nie jemand hier war. Schon gar nicht die Thais mit denen ich geredet hatte, sie wollten einfach nicht zugeben das sie die Gegend schlecht kannten obwohl sie hier lebten.
Zum klettern war der Fels hier nicht besonders attraktiv und zudem sehr scharfkantig. Aber die Tatsache, dass hier niemand sonst hinkommt, sorgte dafür, dass hier kein Müll lag. Ich genoss das Alleinsein. Ich fragte mich auch was ich tun würde, wenn ich nicht an meiner Line arbeiten würde.
Mit dem Klettern wollte ich auf meinen Freund Jürgen Leonbacher warten, der in zwei Wochen aus Bayreuth kommen würde. Trotz den Niederlagen die ich bis jetzt hinnehmen musste, machte mir die Anstrengung Spaß. Ich dachte auch an die Menschen die nach Thailand kommen und eigentlich nicht wissen warum sie da sind und was sie dort machen sollen. Ich erinnerte mich, warum ich losgefahren war. Nicht um zu Hause zu erzählen wie toll das Essen sei und wie fein der Sand am Strand ist. Ab diesem Abend ließ ich die Dinge so geschehen wie sie kamen und ich lernte, mich nicht immer bis zum Brüllkrampf aufzuregen, wenn ich irgendwo festhing oder mich mal wieder geschnitten hatte. Für mich eine sehr wertvolle Erfahrung.

4. Tag:
An diesem Tag beschloss ich, mich nur darauf zu konzentrieren eine Verbindung zu schießen. 40m Angelschnur gerade um eine Plastikflasche zu wickeln dauert eine halbe Stunde, man muss gründlich überlegen wo der Pfeil landen soll. Der erste Schuss lehrte mich, dass der Pfeil nicht schwer genug war und im Wind mit der Angelschnur nur 15 bis 20m weit fliegt. Der zweite Schuss zeigte wie gut der Pfeil fliegt, nachdem ich die Spitze beschwert hatte, aber das nicht jeder Busch auf der anderen Seite den Pfeil auffängt. Jedes Mal konnte ich die Schnur mit dem Pfeil wieder hochziehen. Ich ging eigentlich davon aus das er sich irgendwo an der Wand verfangen würde. Der dritte Schuss war erfolgreich, der Pfeil verfing sich im Geäst eines Baumes in der Nähe vom Turm.


5. Tag:
Zurück durchs Gebüsch, am Fixseil 25m jümarn und ein Stück klettern, dann musste ich beim Pfeil sein. Ich hatte absichtlich in die Nähe meines Seils gezielt, damit ich ihn überhaupt finden konnte. Nur weil ich etwas von der anderen Seite sehen konnte hieß das nicht, dass ich es auf der anderen Seite auch finden konnte. Ich markierte die Stellen an denen ich gewesen war mit Chalk, um mich von der anderen Seite orientieren zu können. Mir war es sehr wichtig, dass die Line gerade wird. Ich hasse schiefe Highlines.
Nach ein wenig Gesuche sah ich den Pfeil, der Ast des Baumes ragte sehr weit von der Wand weg. Ich kletterte am Baum hoch und bewegte mich auf den sicheren, dicken Ästen. Vielleicht hätte der Ast gehalten wenn ich ihn belastet hätte, vielleicht aber auch nicht. Also beschloss ich den Ast abzusägen und nochmal von der anderen Seite zu schießen. Ohne mein Schweizer Taschenmesser wäre ich hier hilflos gewesen, ich betrachte es mittlerweile als Pflichtutensil.
Ich wickelte die Sehne erneut um die Plastikflasche. Diesmal schoss ich nicht Richtung Turm, sonder die kürzeste Strecke. Der Pfeil verfing sich in einem Gebüsch. Dass Type 18 (die Line), hatte ich schon bei den Haken deponiert. Ich überlegte, wie ich die Line aufnehmen sollte, damit sie nicht hängen bleibt oder runter fällt wenn ich sie an der Angelsehne rüberziehen würde. Ich legte sie in gleichmäßigen Schlaufen über eine Schlinge. Mir blieb an diesem Tag noch genug Zeit die andere Seite ein weiteres Mal zu klettern und danach im Dunkeln abzuseilen. Meine Kopflampe hatte ich immer dabei. Ich erreichte schnell die andere Seite und fing an zu ziehen, ein paar Meter lösten sich, dann hingen die feinen Polyesterfasern am rauen Fels fest. Ich wollte kein Risiko eingehen, würde die Angelsehen reißen, wäre die ganze Mühe umsonst gewesen.


An diesem Abend bekam ich eine Nachricht von Preston, der sich nicht überwinden konnte seine Heimreise von Phuket aus anzutreten. Er hatte bereits 8 Wochen hier verbracht und wollte noch für 10 weitere Tage zurückkommen. Ich hatte ihm bereits von meinem Projekt geschrieben und er bot mir an, sein 80m Seil als Backup benutzen zu können. Um ein Backupseil hatte ich mich bis jetzt noch garnicht gekümmert. Viele Kletterer verkauften ihre Seile um mit einem leichterem Rucksack weiterreisen zu können, eine Sorge weniger.

6. Tag:
Ich befestigte einen Ast an den beiden Bohrhaken, jetzt hingen die Schlaufen der Line frei in der Luft, die Schlaufen lagen regelmäßig über der Schlinge, Ich konnte die Line am anderen Fixpunkt einholen. Ein großer Moment für mich, denn endlich hatte ich einen optischen Eindruck von der Line. Auf dem Rückweg drehte ich mich immer wieder um, denn ich konnte die 2,5cm breite Line sogar von Tonsai aus sehen. Das sind mindestens 1500m Luftlinie. Ich war in Feierlaune.


7. Tag:
Preston kam mit zum Spot, wir konnten uns gegenseitig gut sichern wenn es nötig war. Es war fast erniedrigend wie viel schneller alles zu zweit funktioniert hat. Preston kannte den Aufbau wegen der Waterline gut. Wir polsterten die (superscharfen) Kanten ab und konstruierten den Flaschenzug und ein Kräftedreieck.
Das Kräftedreieck machte mir ein wenig sorgen, meine Schlingen waren entweder zu lang oder zu kurz um ein optimales Kräftedreieck mit 90° zu bauen, es wurde ein flacher Winkel. Das bedeutete sehr viel höhere Kräfte auf die beiden 8cm langen Haken. In der senkrechten Wand gab es als Backupmöglichkeit nur den Strauch den ich bereits als Stand zum Bohren benutzt hatte. Dieser bestand aus vielen aber nicht einmal handgelenkdicken Bäumchen. Leider mussten wir von der Seite spannen bei der wir die Haken nicht beobachten konnten oder Veränderungen feststellen konnten. Ich hielt es aber für unwahrscheinlich, dass beide Haken im selben Moment nachgeben würden, wenn die Spannung zu groß werden würde. Wir spannten die Line leicht vor. Als ich mich in die Line einklippte, um das Backupseil auf die andere Seite zu bringen fiel Preston auf, dass ich vergessen hatte den Ring einzuhängen. Ich hatte ihm mal erzählt, wie ärgerlich das ist, wenn man diesen vergisst. Ich war beeindruckt wie aufmerksam er beim Aufbau dabei war, er hatte das vorher noch nie gemacht.
Als ich in der Mitte der Line hing war mir unwohl, ich dachte an das Salzwasser und die Sonne, die die Line in letzter Zeit abbekommen hatte, ob alles richtig zugeschraubt ist. Hätte ich in der ganzen Zeit einen grundlegenden Fehler gemacht oder die Line würde an einer der Scharfen Kanten reißen, gäbe es keine Chance. Es ist ein großer Unterschied, ob man alles allein kontrolliert oder ob man als Tam arbeitet. Helmar, Daniel und ich kontrollieren immer nochmal jedes Detail, bevor es zum Tapen geht. Schön war es aber, die Distanz die über den Boden Stunden dauert, in zwei Minuten zu bewältigen.



Preston öffnete den Flaschenzug wieder, ich fädelte den Ring und zog mit dem Lynx Line ein, Preston spannte ein wenig. Das Backup war jetzt fest. Ich wollt heute noch unbedingt laufen, es war schon recht spät. Schnell zog ich mich wieder zurück zu Preston, der auch langsam Aufregung zeigte. Wir Spannten. Ich knotete sorgfältig die Leash und tapte, dabei konnte ich deutlich sehen, das viele Leute am Strand waren und zu mir hochschauten, ab und zu blitzten Kameras.
Ich hoffte auf positive Reaktionen. Mit einer gewissen „Onsightnervosität“ ging ich in den Sitzstart. Mit dem Blick auf die beiden Haken gerichtet lief ich den ersten Halfman. Dabei gingen mir alle nur erdenklichen Unfallvorgänge durch den Kopf. Mein Puls war sehr hoch und ich atmete und lief unruhig. Ich nahm deutlich mehr Blitze von beiden Seiten war. Noch bevor ich meine Hände an der Wand hatte hörte ich lautes Jubeln von allen Seiten und auch meinen Namen. Das war keineswegs unangenehm, ich freute mich sehr darüber.
Ich wollte die ganze Zeit in Tonsai deutlich machen, das Slacklinelaufen mehr Potential hat als 5m lange Lines und ein paar Kneedrops. Es ist ein Sport, den man lernen muss, um ihn machen zu können. Der Weg zurück war deutlich sicherer, Preston schoss noch ein paar gute Bilder, wir seilten ab. Ich bekam mein Grinsen kaum unter Kontrolle.
Zurück am Strand hagelte es Fragen von allen Seiten.
Von dem Tag an hing die Line fast drei Wochen. Man kannte mich inzwischen. Viele fragten mich, ob sie mitkommen und es versuchen könnten. Von einer spargeldürren Russin, die vor drei Tagen in der Small World Bar mit dem Slacklinen begonnen hatte, hörte ich über einen Neuseeländer, der die Waterline bis zu einem Drittel geschafft hatte, Edward Yates, der prahlend von weitaus längeren und höheren Highlines berichtete. Ich hörte auch Leuten zu, wie sie davon redeten, morgen hochzugehen und es zu versuchen. Das trieb mich in den Wahnsinn. Ich konnte nicht verstehen, wie Leute ohne meine Erlaubnis und ohne mein Beisein auf meine Line gehen würden, auch wenn das natürlich nur betrunkene Selbstüberschätzung und leere Worte waren.



Niemand würde auf die Idee kommen, sich einen Fallschirm, den man gerade beim Wandern in den Bergen gefunden hat, umzuschnallen und zu springen. Das heißt dann Basejumpen, DAS können nur Wenige und diese mussten Experten werden um das machen zu können. Eine Highline hat eher einen niederen Stellenwert, sowas kann man ja mal an einem Ruhetag machen, denn Slacklinen ist ein Zeitvertreib wie Frisbee spielen (gibt es auch als Mannschaftssport) und Highlinen ist halt Frisbee spielen in den Bergen.
Ich fing also an mit den Leuten zu reden, erst höflich und geduldig dann eher genervt. Wer die Line nicht fangen und einen Sitzstart kann, hat auf einer Highline nichts verloren. Ein paar gute Slackliner gab es aber schon, dennoch ist eine 35ger keine Anfängerline.

Ein paar Leuten wollte ich aber die Chance geben es zu versuchen, unter anderem natürlich Preston. Irgendwann standen wir dann zu siebt am Spot, manche scheiterten schon an der Traverse und es dauerte ewig bis sich alle auf die andere Seite gezogen hatten. Mir war überhaupt nicht wohl bei der Sache, es gab viele Leashfalls. Auch Edward, der sich seines Onsights sicher war, brachte nur 3 bis 5 Schritte zusammen, aber catchte immerhin gut.
Dennoch waren alle begeistert und trainierten am Waterlinespot. Ich musste keinem mehr erzählen, dass es schwer ist und bekam mein Feierabendbier ausgegeben.
So ging das ein paar Wochen, meistens war ich jedoch alleine. Mittlerweile hatte ich die Line „Perseverance“ getauft.
Ich versuchte mich in Schnelligkeit. Ich startete an der „Freedom Bar“, rannte 500m Strand. Dann kam ein steiler, felsiger Pfad der nach Railey Beach führt. Dann den gut 1000m Strand joggen und 100 Höhenmeter durch den Wald, bis zur 30ms Traverse, diese „schnell“ klettern, hoch zur Line, einen Fullman laufen und zurück zur Bar. Meinem Ziel - 40min - kam ich mit 43min recht nah. Das war das Gute am Alleinsein. Mit mehreren Personen war ich nie vor 5 Stunden zurück.
Die Line hing schon 2 Wochen. Drei Tage lang war es recht regnerisch und windig gewesen und ich war in der Zeit nie oben gewesen. Als ich nach einem FM die Leash am Flaschenzug festmachte stellte ich schockiert fest, das die Line kurz vor dem Schäkel zu einem Viertel durchtrennt war. Durch die salzige Luft und den Regen hatte der Ring in der Innenseite Rost angesetzt. Das war nicht weiter schlimm, an allen Eisenteilen waren mittlerweile ein paar Rostspuren zu sehen, sogar an meinem Klettergurt. Der Wind hatte die Line aber über die letzten Tage in Bewegung gehalten, sodass der Ring immer an der selben Stelle scheuerte. Nochmal gut gegangen. Am nächsten Tag löste ich den Flaschenzug und nahm die kaputte Stelle aus dem Aufbau. Ab jetzt befestigte ich die Leash unter Zug, damit der Ring sich nicht bewegen konnte.



Mein Freund Jürgen Leonbacher war mittlerweile aus Bayreuth angekommen und ich wollte ab jetzt nur noch mit ihm klettern.
Auf dem Weg zu unserem Bungalow rief mich ein Barkeeper zu sich rüber. Er sagte, mich würde jemand wegen der Highline suchen und zeigte auf einen Typen an der Bar. Sein Name war Braden Mayfield. Er sei extra von Ko Yao Noi gekommen, weil Freunde ihm erzählt hatten, das bei Tonsai eine Highline sei. Wir kamen ins Gespräch. Er erzählte wie er als Kind mit Dean Potter und Chongo Tucker Slackline gelaufen sei. Ich glaubte ihm kein Wort. Dann aber kamen wir auf Deutschland und die Sächsische Schweiz. Tatsächlich war er mit Stefan und Damian (www.landcruising-slacklines.de) dort klettern. Am nächsten Tag ging ich mit ihm zur Line. Er war nicht wirklich nervös, stellte mir aber detaillierte Fragen über den Aufbau und das Material. Ich lief den ersten FM und reichte ihm die Leash. Dann erst gab er zu, dass er noch nie eine solche Länge gelaufen sei.
Er bat mich ein paar Bilder von ihm zu machen. Braden lief die Line Os Fm. Damit hatte ich nicht gerechnet. Wir unterhielten uns auf dem Weg nach unten noch ein bisschen und er bedankte sich bei mir. Er nahm gleich das nächste Boot von Railey Beach zurück nach Ko Yao Noi. Ein kurzer, witziger Auftritt.
Jürgen half mir am nächsten Tag die Line abzubauen.

Es war komisch, sich das letzte mal abzuseilen. In den letzten Wochen hatte ich an diesem Ort viel Zeit verbracht. Ich fragte mich, ob ich irgendwann wiederkommen würde. Vielleicht schon. Auf keinen Fall aber alleine. Der Aufwand und das Risiko ist viel zu hoch. Das weiß ich jetzt.
Jürgen und ich verbrachten noch zwei Monate in Laos / Thakhek wo 2010 ein neues Klettergebiet entstanden ist.

5 Kommentare:

  1. Der absolute Knaller Grischa!

    Hatte ja schon viel gehoert von der Line und den damit verbundenen Strapazen... aber die Details machen das ganze zu einer epischen Geschichte!

    Bis die Tage :) Flo

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  2. Obwohl es soviel Text war hat es richtig viel Spaß gemacht alles zu lesen :D
    Man fühlt sich als wäre man dabei gewesen während man am lesen ist!
    Schöner Blog weiter so!

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  3. Herzlichen Glückwunsch zu diesem sehr gelungenen Projekt, Grischa! Und Riesenrespekt vor dieser Leistung! Danke für den ausführlichen Bericht, war schön zu lesen.

    Witzig, daß du von Braden vorher noch nix gehört hattest. Gibt zwei Videos auf der Landcruising-Homepage, wo er dabei ist, die "Quiet Walks" am Doggenturm und "Green Air" in Tschechien.

    Hoffentlich sieht man sich bald mal wieder bei einem gemeinsamen Projekt, würd mich freuen.

    Grüße aus DD

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  4. Ich muss gestehen das ich den Beitrag erst jetzt gelesen habe. Hast ja schon viel erzählt, aber den Text zu lesen ist schon nochmal was anderes.

    wirklich gelungen und mitfiebernd geschrieben :)

    *thumbs up*

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  5. Geiler Scheiß Grischa, wirklich beeindruckend. weiter so!!!
    Viele Grüße, Tobi

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