Dienstag, 4. September 2012

Mönchsbüffel reloaded oder by almost fair means

So, wieder mal ins Fernsehen geschafft.
Satte 30min gabs im SF 2 am 21.08.12 zu sehen. Unser "Anführer" Bernhard wurde angefragt, ob er nicht auch mal was richtig Krasses machen könnte. Von vor ziemlich genau 2 Jahren steckten noch die Bohrhaken im Mönchsbüffel und warteten auf eben diese Mission.
Mit 70m Länge, 800m Höhe und 1200m Exposition wäre sie der Landesrekord. Da in einem guten schweizer Beitrag die Hilfsdeutschen nicht fehlen dürfen, wurden Damian, Grischa und ich eingeladen. Auf der Patriotenseite gingen Alexis, Tom und natürlich Bernhard an den Start. Zusätzlich wurden uns Andrea und Alex als Filmteam und Lutz als Bergführer zur Seite gestellt.
Soviel zur Einleitung.

Wer nur den Bericht sehen will (weil man grade nur 27min Zeit hat) für den geht's hier direkt zum Fülm:

Sommer-Challenge vom 21.08.2012


Für alle anderen hier noch ein bisschen Text, das Fernsehen lügt ja natürlich auch wieder ein bisschen (mein Bericht aber auch).

Zustieg
Vom Bahnhof zum Büffel
Wir hatten 4 Tage für dieses Großprojekt angesetzt, die Wetterprognosen verschoben die ganze Aktion nach hinten und die arbeitende Bevölkerung und alle Lublin-Anwärter kamen bereits in Bedrängnis. Wir entschlossen uns deshalb zur Not auch bei Regen zu starten, das Zeitfenster war ohnehin lächerlich klein für unser Vorhaben.
Der Regen stoppte, als wir aus dem Auto stiegen und setzte auch erst wieder ein, als wir fast wieder einstiegen. Soviel schonmal zu dem Thema. Viel wichtiger ist, wo wir zuerst ausstiegen. Der erste Stop war nämlich kurz vor Stechelberg an der Helistation.
Aufgrund der Dreharbeiten und der Zeitknappheit gab es diesmal Luftunterstützung. Eigentlich lehnen wir diese unsportlichen Mittel ab, anders wäre das Unternehmen aber nicht durchführbar gewesen. Wir diskutierten also nicht mehr lange und nutzten den Luxus. Es sei ohnehin besser, wenn der Heli viel Gewicht tragen müsste. Eine Ladung zum Biwak, eine zum Spot. Wir packten also alles aus, was nicht heute noch gebraucht wurde. Und wir packten alles ein, was man schon immer mal mitnehmen wollte.

das lag schon abgepflückt aufm Boden!
Von 3 Bohrmaschinen mit zig Haken, über ne große Flasche Schnaps bis hin zu nem Sitzbrett und um die 500m Statikseil. Der übliche schwere Kram blieb natürlich auch unten und wurde erst am nächsten Morgen schweißfrei zu uns geliefert. Uns wurde gesagt, dass etwa 800kg Material bewegt wurden. (Filmequipment mitsamt Generator is da aber auch mit drin..)
Das Biwi-WC: eines der steilsten Klos dieser Saison
Damit die leichten, halbleeren Rucksäcke nicht so auffallen, stopften wir alles wieder mit Holz voll, um uns den Abend mit nem Feuerchen zu verschönern. 1200 Höhenmeter waren trotzdem kein Zuckerschlecken. Immer wieder mussten wir Passagen doppelt laufen, damit die Kamera es auch ja aus mehreren Perspektiven filmen kann. Immer wieder Pausen, der eigene Rhytmus wird völlig zerstört.
Es dauert mehrere Stunden und einiges an Rumsuchen im Nebel bis wir im Biwi ankommen. Wir machens uns gemütlich, ärgern uns darüber, dass fast jeder dachte er könnte seine Töpfe ja unten lassen und darüber, dass der Schnaps ebenfalls erst morgen früh bei uns ankommen wird. Da hat Faulheit mal wieder den Verstand überlistet.

Alexis gibt sich die volle Exposition.



Zustieg durchs Nichts.
Am nächsten Morgen beginnt also der altbekannte Höllenmarsch (s. letzter Blogeintrag Mönchsbüffel), allerdings hat dieser jeglichen Schrecken verloren. Selbst die gefürchtete "Todesstelle", ein kleiner vertikaler und rutschiger Bach mit wenig Hoffnung auf Überleben, erschreckt uns wenig. Wir müssen lediglich hier und da Konzentration und Trittsicherheit auf ein ausreichendes Niveau anheben. Man lernt also doch was bei dem ganzen Scheiss. Schön.
Der Kameramann ist fit und hält Schritt, unsere Redakteurin wird vom Bergführer hinterher gebracht, wir beginnen schonmal.
Auf der Büffelseite läuft alles relativ reibungslos. Man fürchtet sich vom Sattel runter in die Scharte und schließlich das alte völlig abgewetzte, manteloffene Statikseil nach oben und schon ist man da...
Bei Bernhard und mir auf der Massivseite läuft alles schief. Nach einigem Suchen finden wir den Stand in einem der wenigen Flecken soliden Felsens. Wir seilen ab und richten den nächsten Stand ein, Bergführer und Kameramann begleiten uns. Zu viert beginnt sich das Ganze aber schon deutlich in die Länge zu ziehen. Beim Abseilen in die überhängende Wand findet Bernhard die Bohrhaken nicht mehr, an denen er sich umlenken muss, um nicht zu stark abgedrängt zu werden. Es heisst also neue setzen und hoffen, dass die alten irgendwann auftauchen.
Tom auf der Line.
Ich folge ihm in die steinschlaggefährdete Zone. Zum Glück haben wir Unmengen an Statikseil dabei, sowie 2 ASAPs samt Falldämpfer. Die gute Industriekletterschule schenkt uns also redundante Sicherheit, was das Abseilen deutlich entspannt.
Wir finden keine Bohrhaken, dafür irgenwann unseren Fixpunkt. Leider ist der 10 m links von uns. Hoffnung auf einen mögliche Querung gibt es keine, wir sind einfach am falschen Ort abgeseilt und haben dafür auch noch Stunden verloren. Es wird sogar so spät, dass wir bereits über unseren Rückmarsch zum Biwi nachdenken müssen und es ist noch nichts, GARNICHTS auf unserer Seite aufgebaut.
Wir kommen im Dunkeln "zu Hause" an, die Stimmung könnte um einiges besser sein, genau wie der körperliche Zustand. Um Mitternacht fallen die Augen von alleine zu.

working class
Sechs Uhr morgens zwingen wir sie wieder auf. Bernhard und ich müssen früher los als die anderen, um unseren Fehler von gestern wieder auszubügeln. Das kleine Team kommt zügig voran, das Filmteam nimmt seit gestern lieber den Hubschrauber um von A nach B zu kommen...
Es dauert wieder Stunden den alten Stand abzubauen, den Richtigen zu finden, zusätzliche Haken zu setzen und in die Wand zu seilen. Um genau zu sein sind wir erst nach 4 1/2h am eigentlichen Zielort. Zusätzlich hat der Heli Material in der falschen Scharte abgeladen, welches wir umständlich holen müssen. Außerdem hat Bernhard aus Versehen nur 10er Laschen mitgenommen, wir brauchen aber 12er. Wir schrauben also alles an 12ern ab was wir von früheren Expeditonen finden und ersetzen sie durch neu gesetzte 10er. Materialschlacht's finest.

abseilen in die große Wand
Beim Aufbau läuft auch alles schief. Die Line hat nen Dreher, obwohl sie gerade rübergegeben wurde. Erst ist der Flaschenzug zu lang, dann zu kurz, obwohl alles mit Tape makiert wurde. Die Kräftekrake weigert sich lange Zeit ihre Arme gleich auf die auftretende Last zu verteilen. Das einzige Sitzbrett hat Alex, der Mann mit der Kamera, welcher geduldig 6m neben uns im Freiraum hängt und filmt. Uns sterben die Beine ab, immer wieder müssen wir uns neu positionieren und auf Trittschlingen Blut zurück in den Körper pumpen. Wir erfahren, das morgen am 01.08., also am Nationalfeiertag der Schweiz, Flugverbot herrscht. Wenn das mit den Helikopteraufnahmen also noch klappen soll, dann haben wir nur bis 18Uhr Zeit. D.h. noch ne Stunde.
20min vor der Deadline riggen wir in rasendem Tempo. Da werden schnell noch 2 Haken gebohrt um das BackUp sicher zu gestalten und alles irgendwie safe zu machen. Grischa taped im Akkord, Bernhard leiht sich Schuhe und tatsächlich schaffen wir es pünktlich zum Shooting aus der Luft.

Quatsch.
Sichtlich nervös spult Bernhard sein Programm ab. Eine Begehung unter dem Stress ist unmöglich, aber die Bilder sind atemberaubend. Alexis und Tom, die am nächsten Morgen bereits ins Tal zurück müssen, legen auch noch einen Tanz auf dem 800m hohen Band hin, aber die Line führt.
Quatsch.
Die Schweizer gehn zurück zum Biwi, Filmcrew und Team Deutschland bleibt am Spot. Die gewonnenen 4 Stunden Schlaf kann jeder mehr als gut gebrauchen, es geht eh früh raus am nächsten Tag.

Wir müssen schonwieder (oder immernoch) riggen. Die Spannung passt nicht, das Backup kann man nochmal schön machen, einige von den Haken mit der Hauptlast sitzen lose auf den Bohrhaken, der Schlüssel liegt natürlich noch oben im Sattel...
Es wird schonwieder (oder immernoch) spät. Am Ende bleiben 2 1/2h Zeit zum laufen. Danach müssen wir wieder abbauen, 2h zurück zum Biwak laufen und dann die ganzen 1200m runter zum Parkplatz. Diesmal mit mehr Gepäck, weil der Heli ja nicht fliegen darf und wir morgen in aller Herrgoshsfrühe im Auto nach Lublin sitzen wollen. Dieser verfluchte Druck.

Grischa beim FM
Bernhard ist Erster und bekommt die meiste Zeit, schließlich geht der ganze verdammte Beitrag nur um ihn. Er gibt sich alle Mühe, aber es klappt nicht richtig. Allerdings wird er besser und besser, der Fortschritt lässt den Erfolg erahnen. Nur eine kurze Pause und dann.. tja, keine Zeit für Pausen. Verbal helfen wir mit allen Mitteln und Bernhard schafft schließlich den HM!
Damian versuchts rückwärts
Es war schonmal nicht alles umsonst. Grischa ist dran. Unglaublich stark was er da abzieht. Im 4. Versuch kommt er ins laufen und macht die ersten 5 Schritte, dann die ersten 5 Meter. Schließlich bleibt er erst wieder stehen, als drüben die Wand berührt.
Wir überreden ihn, die andere Richtung ebenfalls zu versuchen. Zu schnell und solide war sein HM, als dass er jetzt aufhören darf. Grisch quält sich zu neuer Motivition. Es funktioniert.
Unbeschreibliche Freude macht sich breit. Bernhard hat es halb geschafft und so die Sendung perfekt gemacht, Grischa setzt die komplette Begehung drauf und perfektioniert die gesamte Aktion. Da spielt es auch nur noch eine untergeordnete Rolle, das weder Damian noch ich eine reelle Chance bekommen.
20 Minuten für diese Line sind für mich leider zu wenig. Doch der Aufwand hat sich gelohnt, die Teamleistung belohnt mich selbst noch für die kommenden Strapazen.

Materialschlacht: wo das her kommt, liegt noch mehr..
Abbau. Das viele Material, welches allein an Fixseilen verlegt wurde, muss hoch in den Sattel, wo der Hubschrauber es morgen abholen kann. Mehrfach müssen wir den extrem ausgesetzten und steilen Auf- und Abstieg zurücklegen um immer wieder volle Haulbags zu transportieren. Jeder Muskel brennt.
Im Anschluss geht's anspruchsvoll zurück zum Biwi, dann steil abwärts. Wir rennen fast, es ist bereits dunkel und ein imposantes Gewitter zieht zu uns rüber. Die ersten schweren Tropfen ersetzen bereits den Schweiß, Stirnlampen die Sonne. Essen und Trinken sind verbraucht.
Ich habe Bernhard noch nie so erschöpft gesehen. Grischa ist am Ende völlig dehydriert, torkelt und lallt, zum Glück erst als der breite Wanderweg wieder anfängt.

Dieser Helikopter fliegt nur wegen uns. Entschuldigung.
Das gigantische Feuerwerk empfängt uns unten im Tal. Es ist schließlich großer Nationalfeiertag. Heute vor äh, Jahren wurde die Schweiz gegründet. Deshalb sind auch soviele Leute unterwegs, das wir Mittwoch nachts in einem fernen Alpental eine Stunde im Stau verbringen, bevor wir uns bei Tom in Bern den Bauch vollschlagen. Ich weiß nicht mehr genau wie, aber wir verbringen noch Stunden lachend und feiernd im Wintergarten. Dann schlafen wir eben morgen im Auto nach Lublin oder stehen doch etwas
später auf...







Die Brüder. (Bernhard, Damian, Alexis, Tom, Helmar, Grischa)
Achso, die Line heisst: "Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern."


Freitag, 27. Juli 2012

Kurznews

Wir arbeiten derzeit an einer neuen Homepage, die dann wohl nurnoch unter slacklineproject.com laufen wird. Die Baustelle ist ja auch schon seit einiger Zeit sichtbar.
Da das natürlich wie alles mal wieder viel länger dauert als geplant, gibts zur Aufheiterung für alle die es noch nicht gesehen haben das Bulgarien-Video von Flo.

Highlinetrip to Bulgaria (feat. Fabian Rupprecht in an interview) from Flo Hänsn on Vimeo.



Ansonsten gehts nächste Woche ganz geheim in die Schweiz und danach planmäßig nach Lublin, wir habens das erste Mal zu Special Guests geschafft. 

Alles weitere folgt hoffentlich zeitnah.

Sonntag, 17. Juni 2012

Aircontact Bayreuth

Es gibt sie doch noch, die überraschenden Spots um die Ecke. Einmal über den lang übersehenen Sandsteinbruch gespannt und raus kommt ne schicke 62m lange Trainingsline in gemütlichen 15m Höhe.
Wir waren selbst überrascht, das einem normalen Montagnachmittag noch sowas entspringt. Der Aufbau ist einfach gestaltet, 2 Bäume bilden die Fixpunkte. Grischa und Ich konnten die Line dazu relativ schnell begehen. Der schräge Rand verspult etwas die Optik auf dem Rückweg, aber die Spannung ist gut und das Backup-Statikseil schwingt harmonisch im Takt mit. Schön, dass man bei der Länge auch mal einfach nur pure Freude empfinden kann. Fast schon gruselig, dass ne 60er Line eigentlich nur ein Randprodukt ist... Getauft wurde das gute Stück "Aircontact 60+", denn Luft nach oben bleibt. Neue Bäume, neue Länge. Mal sehen welchen Zahlen noch hinterm + stehen werden...

Mittwoch, 9. Mai 2012

Ostrov + Meteora = Belogradchik


Längerer Text, da längere Reise. Kürzel erklär ich ganz zum Schluss.
Idee und Vororga ging diesmal auf Flos und meine Kosten. Ausgewählte Leute, Sonne, Highlines, Urlaub.

Wie schon so oft beginnt alles bei Johannes. München ist irgendwie der beste Ausgangsort für alle und dort steht auch das übertrieben bepackte Auto bereit. Allein mit dem Gepäck wirkt die Tieflage schon bedrohlich und dann steigen auch noch eben dieser Hannes Olszewski, oldschool Florian "Stretch" Hansen, der seltene Gast Fabian Rupprecht, Azubi Clemens Augustin und meine Wenigkeit (Helmar) ein.1300km liegen vor uns. Über Umwege sind zum Glück noch 3 Gratis-Paletten RedBull bei uns gelandet, wir ahnen noch nicht dass bis zu unserer letztendlichen Ankunft 32h und fast ebenso viele Energydrinks Geschichte sein werden..

Willkommen in der EU
Schon allein Wien ist irgendwie immer viel weiter weg, als man denkt. Weiter gehts quer durch Ungarn, die erste Euphorie verfliegt, Ärsche und Beine schlafen ein, in 2er Teams fahren wir abwechselnd durch die Dunkelheit.
Ab Rumänien zeigt sich dann mal wieder, es glänzt bei weitem nicht alles was sich EU nennt. Autobahnen werden durch stundenlange Überlandfahrten ersetzt. Überall hängt Müll. Überall. Wird vom Wind über die Felder getrieben bis das Plastik an Hecken und Bäumen hängen bleibt. Genauso präsent sind die vielen Straßenhunde, egal ob tot oder lebendig. Das einzig Schöne ist der Sonnenaufgang. Die Bevölkerung wirkt sehr arm und alt, die Landflucht muss hier gewaltige Ausmaße angenommen haben. Immer wieder begegnen uns Pferdekarren, die sind zwar langsam, aber wenigstens nicht so wahnsinnig wie die Autofahrer, die mich nachts in meinen Träumen immer noch so knapp wie möglich überholen.
Blick in den Rückspiegel
An der Grenze geht's klischeebeladen weiter. Diese wird markiert durch die Donau, über welche man mit der Fähre übersetzen muss. Wir bezahlen vor der ersten Schranke die geforderten (ca.) 15€. Dann geht's vor zum Zöllner. Er mustert uns und unsere Ausweise relativ lang, Grund der Reise?, Kofferraum öffnen!, etc. . (Die Frage muss man jetzt mit sonem osteuropäischen Akzent lesen, ne.) "Habt ihr Schnaps dabei? Für mich?" Tja leider nicht, zum Glück machen ihn 3 Dosen RedBull aber ähnlich zufrieden, lächelnd winkt er uns durch.

Wir stehen vorm nächsten Häuschen mit Schranke. Wir sollen schon wieder was bezahlen, keine Ahnung wofür, die Sprachbarrieren sind zu groß. 30 Minuten später sind wir dann endlich auf dem Wasser.
Das Highlinemobil auf der Donau
Auf der anderen Seite kommen dann noch Hafengebühren auf uns zu... Außerdem Maut, obwohl Bulgarien nicht mal Autobahnen hat. Eigentlich meistens nicht mal Straßen in dem Sinne. Die Schlaglöcher sind abartig tief, Gullideckel fehlen mitunter einfach gänzlich, wer schneller als Schritt über einen Bahnübergang fährt, fährt danach definitiv gar nicht mehr. Für die letzten 50km vor der ersten Etappe brauchen wir locker 2 Stunden. Je weiter wir fahren, desto langsamer müssen wir werden.
Auf dem Weg finden wir eine völlig verwahrloste Frau im Straßengraben, auf ein Angebot auf Hilfe verstehen wir aus dem Gebrabbel nur "Wodka!".
Das ist also Bulgarien, das Land in dem man für "Ja" den Kopf schüttelt und bei "Nein" nickt. Nicht gerade der beste Ersteindruck.

Nach 23h haben wir aber dann aber gefühlt den ersten Spot erreicht. Devetaki Cave heißt der magische Ort. Wir kommen von oben an die gigantische Höhle, oben in der Decke 2 gigantische Löcher, unten fließt ein Fluss. Beeindruckende Kullisse, bester Fels, ein gelevelter Spot und ein BigSwing der Extraklasse wären möglich. Voll Vorfreude wollen wir nur noch kurz essen und dann endlich schlafen um am nächsten Morgen mit dem Riggen zu starten.

Mitten in Rumänien
Wir beschließen, unser Camp etwas unterhalb der Höhle an einem Fluss zu errichten, den man gut mit dem Auto erreichen kann. Auf dem Weg dorthin taucht plötzlich eine kleine Bauhängerwohnung auf, davor ein großer, grimmiger Hund. Als wir anhalten kommt ein dicker Bulgare raus und gibt uns zu verstehen, dass wir hier weg müssen. Er geht kurz wieder rein und kommt mit einer Pistole im Halfter wieder raus. Wir sollen gehen, wiederholt er. Es kommt trotzdem tatsächlich zu einer Art Gespräch, die Regierung hat jedes Betreten der Höhle untersagt. Wir fühlen uns sehr danach, diesen Mensch ernst zu nehmen. Unendlich enttäuscht treten wir die Weiterfahrt an. Kurz essen, noch n RedBull und die nächsten 5 Stunden Fahrt ziehen holprig durchs Land.
Bewegungs- und denkunfähig fallen wir auf einer Wiese in komatösen Halbschlaf.

nach der traurigen Devetaki-Nachricht
Der nächste Morgen ist klassisch. Wer im Dunkeln ankommt, ist am nächsten Tag immer völlig überwältigt vom eigentlich Landschaftsbild. Ein Hirte treibt seine Schafe an uns vorbei und lässt sich kaum stören, um uns herum sind schneebedeckte Berge und einzelne malerische Felstürmchen. Wir fahren noch ca. 30km weiter, bleiben alle Nase lang stehen und strecken uns die Hälse aus den Fenstern wund. Die Türmchen werden zu gigantischen Massiven, Türmen, Nadeln. Bis zu 80m hoch ragt das Konglomeratgestein über uns empor. Die absolute Symbiose aus Meteroa mit Gestein und Höhe sowie Ostrov mit seinen unendlich vielen Möglichkeiten und Felstürmen... We're psyched, yo! Alle Mühen sind vergessen.



chillen an unserer 1. Highline "Kaletoris"

 
Helmar arbeitet am Fixseil
2 Tage rennen und klettern und spielen wir durch die Gegend auf der Suche nach geeigneten Spots. Die alte Optikkrankheit schlägt wieder zu. Schaut man von der einen Seite, sieht alles gut aus. Läuft man nur 10m weiter, sind die Felsen plötzlich unterschiedlich hoch, kommt man schließlich dort an, ist der Gegenpart 100m weit entfernt oder zu dünn oder jetzt viel zu niedrig oder am besten gleich garnicht mehr vorhanden. Alles was wir finden ist uns zu niedrig, nicht exponiert genug oder einfach allgemein nicht lohnenswert genug um die lange Fahrt und den Aufwand zu rechtfertigen.
Entgegen der Empfehlung erst einmal nichts in Sichtweite der Stadt zu machen, fahren wir am frühen Abend zurück, mitten ins Hauptgebiet. Erstmal was essen, am besten von einem nahegelegenen Massiv mit guter Aussicht. So führt uns purer Zufall direkt vor Spot #1...

 
Fabian Rupprecht entspannt auf der "Kaletoris"-Line
So werte Leser, jetzt kommt der Teil wo's um Highlines geht. Die nötigen Fakten für eventuelle Wiederholer werden demnächst an www.highlinedatabase.com geschickt und hoffentlich dort integriert. Erstbegehungspotenzial ist aber bis zum Erbrechen gegeben.

Am nächsten Tag gibt's 2 Teams. Flo, Fabi und Clemens bohren und riggen an der Massivseite, Hannes und ich müssen die erste Psychokletterei starten. Erstens psycho, weil man fast immer selbst absichern muss. Das ginge eigentlich noch ganz gut, wenn das Gestein gut wäre. Man greift einen Kiesel und hat ab dann 'ne gute 50/50 Chance das er hält. Jederzeit könnten beide Tritte oder Griffe oder eine andere lustige Kombination aus beidem oder allem einfach nicht mehr da sein. Die beste Alternative liegt darin, fragile Kiesel auszubrechen und dann in das neu entstandene Loch zu fassen. PSYCHO! Packt die Helme ein. Außerdem habe ich den Kletterführer zu Hause vergessen, wir müssen also auf gut Glück unserer Nase hinterher klettern und hoffen das es klappt. Es klappt.

60m Jümaralptraum
Clemens kurz vor'm HM der "Kaletoris"



Die erste Line läuft also vom Massiv am Campingplatz (3 BH in einer Rinne) zum Riesenbaby (ebenfalls 3 BH). Wie immer 42m lang. Überhaupt erinnert alles sehr an "For your eyes only" in Meteora. Gestein, Fixpunkte, Umgebung. Nur alles irgendwie niedriger und netter. Wie auch immer, sauschöne Line, gerigged mit WhiteMagic und Dynamo-Backup, so wie ichs gern hab. Ich bekomme die Erstbegehung, irgendwie will sonst keiner. Gerne, denk ich mir und im zweiten Anlauf steh ich auf der anderen Seite. Die erste richtige Line im Jahr fühlt sich herrlich an, noch 2 mal in den Chongo und ich bin zurück. Name ist "Kaletoris", angelehnt an die Festungsanlage im Herzen Belogradchiks. Die anderen machens mir zügig nach, nur Clemens braucht seine Zeit. Er kann sich aber am nächsten Tag seinen bis dahin längsten HM abholen. Irgendein Bulgare filmt ihn und setzt den Spot auf Facebook. Innerhalb kürzester Zeit starten die wildesten Diskussionen, leider in Bulgarisch. Die Übersetzung lautet in etwa so: "FAKE!" HarHar!
 
Clemens bei der Erstbegehung von "Mexiko"

Der nächste Spot ist nur für's Auge. Hannes muss die Drecksarbeit machen und vorsteigen. Der Schwierigkeitsgrad schnellt in die Höhe, dafür gibt es wohl 'ne vierte Begehung überhaupt auf den Reiter. Die Nadel ist viel zu dünn bzw. steht halt im Weg, nach endlosen Diskussionen wird zumindest genau dieses Projekt abgebrochen. Geriggt wird dann mit TT direkt daneben vom Pferd rüber zum Kloster. 28 zarte Meter in der selben Höhe. Ohne Spuren, aber mit Beweisfots wird alles  wieder verlassen. Alle FM OS, außer Clemens, da fehlt das On-Sight aber er bekommt die Erstbegehung. Projektname ist "Mexiko", wer weiß wieso? Flo und Hannes tricken sich noch müde, ein Zustand der uns langsam alle beschleicht und nicht mehr so richtig weg will.

Helmar läuft bei bestem Licht "Godmode on"
 Neuer Tag, wieder klettern, wieder schleppen, wieder riggen und vor allem wieder mit Rucksack jümarn. Der Spot heißt Gemeinschaftsturm und wurde bereits 1969 erstbestiegen. Ein riesiger Block, der ein gigantisches Dach bildet ist Ausgangs- und Entscheidungspunkt für diese Line. Ich darf diesmal vorsteigen, Flo und Fabi seilen sich am gegenüberliegenden Massiv ab um zu bohren. Es kostet uns den ganzen Tag die Line aufzubauen. Der Wind weht brutal und bewegt die Line in kraftvollen Schwingungen. Es ist ein einziger Kraftakt den Flaschenzug still zu halten um nur allein die Potenz vorschieben zu können. Das Metal schlägt die Finger blutig, auf der anderen Seite sieht es ähnlich aus. 

Am Abend will dann komischerweise niemand mehr laufen. Nicht mal den Versuch wagen. Der Wind ist fast weg, das Licht noch ausreichend und die Line liegt getapt vor uns. 48m lang, 50m hoch, wieder WhiteMagic mit Dynamoseil. Obwohl ich bereits eine Erstbegehung habe, tue ich das in meinen Augen einzig richtige und starte. Der Kampfmodus springt an. OS FM darf ich mir danach in die Statistik schreiben. Dieser "Diebstahl" wird mir zwar übelgenommen, war aber tatsächlich das Richtigste, wie sich am nächsten Tag zeigt.
 

Helmar im Godmode.*
Regen in der Nacht macht das Setup extrem schwer. Es ist arschkalt, jeder hat an was er hat, wir frieren trotzdem. Nur ich komme nennenswert weit. 5m vorm Ziel schüttelt's mich dann doch ab. Kein Kampfgeist mehr, ich bin's ja schon gelaufen... 
Blickfeld nach dem 2. Rajiki

Entsprechend gibt's 'nen Namen: "Godmode on" (aka "Merinomops" aka "Möpse und Rajiki"). Als wir am Abend zurück zum Auto kommen, feiert uns die spärliche Landbevölkerung für die Aktion. Es gibt Schnaps und Bier, schlechtes Englisch und ähnlich schlechte bulgarische Dancemusik. Die Gastfreundschaft ist riesig, wir müssen unbedingt weg, bevor sie uns allen Alkohol einschenken den sie haben...




Flo versucht das Unmögliche, fühlt sich aber trotzdem "Xylobromic!"
Zeit für was Großes. Zwischen Zigeunerburg und Verlassener Wand riggen wir irgendwas zwischen 60 und 70m, leider hat keiner von uns einen Laser dabei, aber keines der Kletterseile reicht von A nach B. Als Backup kommt daher nur Hannes' 110g/m Statikseil in Frage, welches unter anderem eine Begehung in den folgenden 2 Tagen unmöglich macht. Die Line kontrolliert uns, nicht umgedreht. Flo liefert mit 3x ca. 15 Schritten die beste Performance ab, ich denke das spricht für sich. Nen Namen haben wir uns trotzdem ausgedacht:" Xylobromic!"
Nebenan beginnen wir zusätzlich eine weitere Line zu spannen, welche der Auslöser für die wohl massivste schlechte Laune des Urlaubs werden sollte.. Unser WorkLoadLimit ist seit einiger Zeit erreicht und wir hocken darüber hinaus 24/7 aufeinander. Riggen ist im Gegensatz zum eigentlichen Laufen in meinen Augen das deutlich schwierigere und wichtigere beim Highlinen. Es zeigte sich, das wir trotz mehrerer gemeinsamer Trips mitunter doch sehr unterschiedliche Ansichten über einbohren und spannen haben.

Flo mit 70m Luft unterm und noch 60m Line vor'm Arsch.

Das TT reicht gerade so, wir müssen sogar noch einen Meter mit dem Pulley rausziehen bevor wir es in die Banane kriegen. Macht ziemlich genau 46m Länge zwischen Verlassener Wand und Hohem Turm. Das Band ist mit der Unterseite nach oben und läuft 90° verdreht aus dem Fixpunkt, der ganze Aufbau hat effektiv 2 ½ Tage gedauert... Naja, sicher ist es trotzdem also wird letzten Endes gelaufen. Fabi startet und legt definitiv die spannendste Begehung des Trips hin. Mehrfach läuft er über die Mitte und muss dann catchen. Mehrfach will er schon aufgeben, wir motivieren ihn weiter zu machen. Die Line ist an keiner Stelle ruhig zu kriegen, man sieht seine kontinuierliche Anstrengung, immer wieder fällt er fast. Das selbe Spiel auf dem Weg zurück. "Challenge Exepted" ist der passende Titel.
Fabi ascended first und excepted die Challenge.
Ich bin dran. Mein Ego fühlt sich vom letzten OS noch sehr wohl, bekommt aber sofort 'ne Klatsche. Ich schaffe den FM unter größter Anstrengung, meine Waden und Schienbeine brennen so stark das ich kaum noch auf dem Boden weiterlaufen kann. Hannes und Flo müssen am nächsten Tag nochmal ran. FM und HM gibt's, Clemens kann die Line leider nur als gutes Training verbuchen.
Fabi spielt.*
Während die anderen also nochmal laufen, starten Fabi und ich den zum letzten Spot. Die schönste Perle zum Schluss. Die Türme ragen am höchsten über Belogradchik auf, direkt neben der Festung. Es nennt sich das Kamel, ein Turm bildet den Kopf, der andere ist zweigeteilt und bildet die Höcker. Das einzige Problem ist der Zustieg. VIIIa in sächsischer Bewertung. Keiner von uns beiden hat so etwas schon mal geklettert. Ich beginne in der ersten Seillänge. Wie immer gruselig, aber noch stressfrei. Die deutlich härtere Seillänge darf Fabi machen. Von den 12 vorhanden Haken im Topo finden wir 5 vor. Einmal durch die Wand an morschen Schüppchen und vereinzelten Kieseln. Glücklich und ohne Sturz erreichen wir dann aber den Gipfel als 7. Seilschaft überhaupt. Wir legen ein Fixseil und starten zum nächsten Turm. Erstbegehung einer Kletterroute und wieder unter den TopTen der Besteigungen, die ersten seit 5 Jahren. Was machen die ganzen Sachsen denn all die Jahre hier, wenn nicht auf den Gipfel der Gipfel steigen? Naja, alles wurde mit Fixseilen versehen, Verbindung gelegt und schon mal eine Seite eingebohrt.
Double Knee auf dem Zügel des Kamels.*
Am letzten Tag, durch den orthodoxen Kalender ist hier erst jetzt Karfreitag, riggen wir die auffälligste Line von allen fertig. Busseweise Touristen sind auf der Festung und schauen uns zu, klatschen, rufen, jubeln. 21m misst die Line, 100m tief exponiert. Wir sind für Tricks und Swamis gerne zu haben. Flo bekommt seine Kürzel. FA FM OS im Swami. Überhaupt konnten alle OS und FM laufen. Wir haben mächtig Spaß bis Regen über uns hereinbricht. Nass bauen wir ab. Unten erfüllt uns das warme Gefühl der Erleichterung. Das war's. Endlich. Keine Anstrengungen mehr, niemand ist nennenswert verletzt. Bis auf das vorab kaputte Knie von Fabi, etlichen Schürfwunden, Schnitten (von scharfen Quarzkieseln!), Kratzern und Dornen in allen Gliedmaßen ging wieder mal alles glatt. Die 18h Rückfahrt ging dann fast leicht von der Hand. Blagodarja Bulgarien!
Ausserdem danke an Hannes Olszewski und Clemens Augustin (*) für die Fotos, Landcruising für's Material, Skylotec für's Material, Makita für die Makita, Deuter für den Rucksack, Yulian für den Support, Elke für den Bulgarientip und die Organisationshilfe, den ebenfalls dortigen Sachsen für Tips und Topo und Almus für die schönen Abende.

FM - FullMan, Highlinebegehung in beide Richtungen
HM - HalfMan, Highlinebegehung in eine Richtung
OS - OnSight, im ersten Versuch
Swami - lebensrettender Bauchgurt, in den man aber nicht stürzen sollte
TT - Threaded Tubular, das Schlauchband im Schlauchband
BH - Bohrhaken
jümarn - Aufstieg mit Steigklemmen am fixen Seil 

Feierabend, nicht nur am Kamel.

Montag, 16. April 2012

Urban Slackline Terrorists

Almost the same story in english, click here.
Es passiert langsam wieder was. Diesmal was Geheimes, da sich der Spot in der Tiefgrauzone befindet.
Diesmal nur Jordan und ich, ein paar fremde Fotografen und ein paar dumme, randalierende Kinder. Die Location ist ein altes Bahngebäude, perfekt symmetrisch und rund gebaut. Überall sind Scherben, Graffiti, Steine, Löcher, morsches Holz und jede Menge Stahl. Ein unwirklicher und bei weitem nicht alltäglicher Anblick mit der damit zusammenhängenden Neugier und Abenteuerlust liegt in der Luft. Alle Zugänge sind fest verbarrikadiert und Gewalt ist hier nicht das Zauberwort zum Öffnen der Tür. Zum Glück waren wir vor einigen Wochen bereits zum auschecken vor Ort und kannten den zwar mühsamen, alles in allem aber sichersten und schnellsten Weg ins Gebäude. Alles was man braucht ist ein Seil und 'n bisschen Skill..
Der Aufbau war ähnlich extravagant. Man spannt von einer Leiter aus, deren unterer Teil entfernt wurde und die somit einfach in der Luft hängt. Oben gibt zieht sich um den gesamten Kreis eine Plattform, allerdings kann man von dort extrem einfach durch die zerschlagenen Scheiben und aus allen Richtungen gesehen werden und wir wissen nicht, wer sich alles an unserer Aktion stören könnte. Die anfangs erwähnten dummen Kinder rennen auf dem völlig maroden Dach umher, wir haben Angst um sie und über die Tatsache, das eventuelle anrückendes Sicherheitspersonal unser so weit fortgeschrittenes Projekt noch beendet. Nichts passiert.
Jordan bekommt logischerweise die Erstbegehung auf dem fast übertrieben slacken Threaded Tubular-Webbing. Heute ausnahmsweise mit nem richtigen Gurt und ner kleinen Aufwärmphase. Ich kann mir n On-Sight erarbeiten und laufs gleich nochmal, wer weiß ob der Spass nicht doch noch unfreiwillig beendet wird. Überhaupt macht diese Unsicherheit des "man-könnte-gleich-erwischt-werdens" das Laufen um einiges schwieriger, kommt doch noch eine zusätzliche Nervositätskomponente in die ohnehin schon aufgewühlte Gedankenwelt.
Am Ende ist wie immer alles gut. In nur 3 Stunden ging alles glatt über die Bühne: reinkommen, riggen, mehrfach laufen, deriggen, rauskommen. Einmal mit nem Profi gearbeitet...
Schicke Fotos gabs nebenbei auch noch, natürlich von Jordan Tybon himself.