Samstag, 19. April 2014

À la cunt oder eine Geschichte vom Scheitern.

unsere Hütte ausm Prospekt, eindeutig, ne?
Jetzt mal abgesehen von Wintersport, wer mag schon Winter in Deutschland? Wir nicht, Reiseziel ist Spanien, Costa Blanca, Finestrat. Das ist zwischen Valencia und Alacant. 9 bayreuthverbundene Leute sind wir über Silvester, später nur noch Grisch Poff und icke.

Schon im Internet sehen wir oberhalb unserer Hütte einen perfekten Spot, der auch vor Ort immernoch verlockend aussieht. Nur mit den Dimensionen verschätzen wir uns total.

Statt der gedachten 200-300m Höhenmeter, einer Lückenweite von 20m und einer Zustiegszeit von einer Stunde, haben wir uns in jeder Hinsicht um den Faktor 3 bis 3,5 vertan. Ups. Wer kann schon ahnen, dass sich direkt neben dem Meer ein 1300m hoher Berg erhebt?

Mitte Januar
Allein den Weg zu finden benötigt Glück, Entdeckerdrang und gebrochenes Spanisch. Von dem Sattel zwischen den beiden Gipfeln des Puig Campana kommt man nur weglos voran. Kaum ein Abzweig ist offensichtlich, Kletterstellen bis zum III Grad zwingend notwendig und Schwindelfreiheit ebenfalls obligatorisch. Schon hier bemerken wir den stellenweise extrem starken Wind.




Grischa mit wehendem Haar
Wir erklettern den Puig Campana über eine 13-Seillängenroute und checken gleichzeitig nochmal den Zu- und Abstieg von der anderen Seite des Bergs.
Kommt auf's Gleiche raus und so beginnt der dritte Aufstieg mit Bohrmaschine, Seilen und Kletterzeug. Über den alpinen Weg vom ersten Tag gelangen wir auf die eine Seite der extrem steilen Scharte. Dort steckt ein alter Schlaghaken, der mit 2 Schlingen gebackupt ist. Von diesem seilt man 60m in die Scharte ab und kann auf die andere Seite laufen.
Wir finden eine extrem gute Linie für die Line. Guter Fels, die Line ist geleveled und man muss vor Ort nicht im Seil hängen sondern kann sich bequem positionieren.
Danach geht's die wieder 1000m Höhenmeter runter.

Wir gehen erstmal wieder ein bisschen klettern und warten auf ein gutes, stabiles Wetterfenster. Schließlich ist es soweit, Sonne satt und 20km/h Wind steht in der Vorhersage.

die Crux kurz vorm Ziel, IIIer Kletterei auf den Grat
Die Rucksäcke sind zum zerbersten voll, ein Highline + Übernachtungs-Setup mitsamt Wasser muss durch die Sonne nach oben gebracht werden. Zum Glück haben wir in den letzten Tagen schon einiges an Kondition gesammelt.
Oben angekommen zerstört uns dann der Wind. Die 20km/h gelten für den Ort Finestrat. Dieser liegt südlich vom Berg, der Wind kommt aber erbarmungslos aus Norden. Das gleiche Phänomen verarscht uns auch regelmäßig oben am Grat. Man muss nur 2m südlich unterhalb des Grates stehen und es herrscht beinahe Windstille, auf der Nordseite kann man kaum stehen und versteht sein eigenes Wort nicht.

Puig Campana.
Wir versuchen trotzdem aufzubauen. Geplant war, auf der einen Seite die Line runterzuwerfen, um mit ihrer Hilfe eine Verbindung zu setzen. Doch erstmal steht diese waagerecht in Luft, tanzt und lacht uns aus. Irgendwann sinkt sie im Lee dann doch zu Boden und Grischa versucht sie über die ca. 65m breite Lücke zu bringen.
Ich habe mich selten so geärgert keine Videokamera zu besitzen. Der kleine (wenn auch sehr starke) Mann da unten in der Scharte hat keine Chance gegen die Gewalt, die der Wind in die schlaffe Line bringt. Grischa macht 5 Schritte vorwärts und wird sofort 3 zurückgerissen. Er wirft sich auf den Boden und wartet bis die Böen nachlassen. Wieder rennt er los, schafft effektiv 2 Schritte und muss erneut in Deckung gehen. Beim nächsten Start hebt die Line Grischa vom Boden und schmeißt ihn zurück, die Line würgt seine Hände und Arme. Die Idee, die Line ums Bein zu wickeln, erweist sich als, naja, man wird halt nur noch hilfloser. Eigentlich liegt Grisch mehr auf dem Boden als das er noch vorwärts kommt. Sein Helm hängt konstant nur noch am Kinnriemen, Atmen fühlt sich an wie bei 130 Kopf ausm Fenster und er müsste, selbst wenn, immer noch mindestens eine Hand frei haben um die Line mit dem Seil verknoten an dessen oberen Ende ich sitze und halb besorgt, halb lachend zusehe.
Ca. 30kg Equipment und Wasser lassen wir für 8 Tage zurück.

Als er schließlich loslässt schneidet die Line, die er sich mittlerweile um den Körper gewickelt hat,in seine Jacke. Später erzählen uns Kletterer, ihre Expressschlingen hätten waagerecht in der Luft gehangen, so dass sie nicht mehr richtig klippen konnten...

(p.s. Ja wir habens auch kurz mit einem Seil versucht, mit einem besseren, wenn auch ebenfalls nicht akzeptablen Ergebnis)

Abbruch. Wir packen alle Sachen für später in unseren Biwaksack, verstecken das Bündel und ziehen uns geschlagen zurück.




von Osten

Wir verbringen unsere Zeit mit Sportklettern, dem verlinkten Brückensprung und ein paar sehr sehr geilen Briten im OrangeHouse. Wir haben ne gute Zeit doch etwas nagt und hämmert im Hinterkopf. Wir wissen, dass wir nochmal zurückmüssen. Die Ausmaße der Line (etwas über 60m lang, 80m hoch, 1300m Sicht bis runter aufs Meer und beiden Seiten sind offen) sind durchaus in einem Tag laufbar, aber definitiv an unserem Limit.

Jeden Tag verfolgen wir die Vorhersage. Dauerhaft stabil bleibt es scheinbar nie. Nur an einem Tag, Dienstag, ist es über 7 Tage hinweg schön gemeldet. 100% Sonne, 0 Wind. Der Urlaub nähert sich dem Ende, es ist die letzte Chance und unser Material liegt ja ohnehin noch oben.

von Westen
Schon am Vortag brechen wir auf, doch der ist noch schlecht. Oben begrüßt uns wieder Freund Wind und nagt an der Psyche. Wir finden in dem steinigen, schrägen Gelände schließlich einen mäßigen Schlaftplatz in einem Gebüsch. In der Nacht dreht der Wind auf unsere Seite und schleicht in unsere Träume.

Am nächsten Morgen ist es tatsächlich vollkommen ruhig. Wir legen ohne größere Probleme eine Verbindung und starten den Aufbau. Als ich den Flaschenzug ansetze beginnt die Line jedoch wieder ihren Rotor zu starten. Schon beim abtapen der Line mit dem Redudanzseil ist die Line in voller Fahrt. Wer es noch nicht erlebt hat, eine lange Slackline schwingt bei starkem Wind extrem kraftvoll auf und ab. Das Geräusch dabei klingt verblüffend nach Hubschrauber.

Grischa zieht sich über die Line. pic by Kristina Beigang
So sitzen wir noch 3h am gedeckten Tisch und sind frustriert. Unsere Theorie: Die Scharte wirkt wie Kompressor für die Luft die gegen die Nordseite gedrückt wird. Dadurch ist immer genau dort der stärkste Wind, selbst wenn es woanders durchaus noch erträglich ist.

Naja, wir räumen das Feld für die Nächsten. Beta wird kommt noch, wobei die Fotos schon recht offensichtlich sind. Gebohrt wurden je 2 12er und ein 10er fürs Backup. Fürs Backup vom Backup stehen genug Büsche, Felsblöcke oder der Normalhakenstand zur Verfügung.

die Crew

Man braucht mindestens ein 50m Doppelseil um in die Scharte abseilen zu können.
Zugang aus dem Sattel: Links neben dem kleinen Gipfel mit dem Kreuz vorbei, die Rinne bis zum Ende runter, links und dann irgendwie am Grat vorbeimogeln. Viel Glück, wir kommen auch wieder.
Namensvorschlag: "À la Cunt".




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen