Idee und Vororga ging diesmal auf Flos und meine Kosten.
Ausgewählte Leute, Sonne, Highlines, Urlaub.
Wie schon so oft beginnt alles bei Johannes. München ist
irgendwie der beste Ausgangsort für alle und dort steht auch das übertrieben
bepackte Auto bereit. Allein mit dem Gepäck wirkt die Tieflage schon bedrohlich
und dann steigen auch noch eben dieser Hannes Olszewski, oldschool Florian
"Stretch" Hansen, der seltene Gast Fabian Rupprecht, Azubi Clemens
Augustin und meine Wenigkeit (Helmar) ein.1300km liegen vor uns. Über Umwege
sind zum Glück noch 3 Gratis-Paletten RedBull bei uns gelandet, wir ahnen noch
nicht dass bis zu unserer letztendlichen Ankunft 32h und fast ebenso viele
Energydrinks Geschichte sein werden..
Willkommen in der EU |
Schon allein Wien ist irgendwie immer viel weiter weg, als
man denkt. Weiter gehts quer durch Ungarn, die erste Euphorie verfliegt, Ärsche
und Beine schlafen ein, in 2er Teams fahren wir abwechselnd durch die
Dunkelheit.
Ab Rumänien zeigt sich dann mal wieder, es glänzt bei
weitem nicht alles was sich EU nennt. Autobahnen werden durch stundenlange
Überlandfahrten ersetzt. Überall hängt Müll. Überall. Wird vom Wind über die
Felder getrieben bis das Plastik an Hecken und Bäumen hängen bleibt. Genauso
präsent sind die vielen Straßenhunde, egal ob tot oder lebendig. Das einzig
Schöne ist der Sonnenaufgang. Die Bevölkerung wirkt sehr arm und alt, die
Landflucht muss hier gewaltige Ausmaße angenommen haben. Immer wieder begegnen
uns Pferdekarren, die sind zwar langsam, aber wenigstens nicht so wahnsinnig
wie die Autofahrer, die mich nachts in meinen Träumen immer noch so knapp wie
möglich überholen.
Blick in den Rückspiegel |
An der Grenze geht's klischeebeladen weiter. Diese wird
markiert durch die Donau, über welche man mit der Fähre übersetzen muss. Wir
bezahlen vor der ersten Schranke die geforderten (ca.) 15€. Dann geht's vor zum
Zöllner. Er mustert uns und unsere Ausweise relativ lang, Grund der Reise?,
Kofferraum öffnen!, etc. . (Die Frage muss man jetzt mit sonem osteuropäischen
Akzent lesen, ne.) "Habt ihr Schnaps dabei? Für mich?" Tja leider
nicht, zum Glück machen ihn 3 Dosen RedBull aber ähnlich zufrieden, lächelnd
winkt er uns durch.
Wir stehen vorm nächsten Häuschen mit Schranke. Wir sollen
schon wieder was bezahlen, keine Ahnung wofür, die Sprachbarrieren sind zu
groß. 30 Minuten später sind wir dann endlich auf dem Wasser.
Das Highlinemobil auf der Donau |
Auf der anderen Seite kommen dann noch Hafengebühren auf
uns zu... Außerdem Maut, obwohl Bulgarien nicht mal Autobahnen hat. Eigentlich
meistens nicht mal Straßen in dem Sinne. Die Schlaglöcher sind abartig tief,
Gullideckel fehlen mitunter einfach gänzlich, wer schneller als Schritt über
einen Bahnübergang fährt, fährt danach definitiv gar nicht mehr. Für die
letzten 50km vor der ersten Etappe brauchen wir locker 2 Stunden. Je weiter wir fahren, desto langsamer müssen wir werden.
Auf dem Weg finden wir eine völlig verwahrloste Frau im
Straßengraben, auf ein Angebot auf Hilfe verstehen wir aus dem Gebrabbel nur
"Wodka!".
Das ist also Bulgarien, das Land in dem man für
"Ja" den Kopf schüttelt und bei "Nein" nickt. Nicht gerade
der beste Ersteindruck.
Nach 23h haben wir aber dann aber gefühlt den ersten Spot
erreicht. Devetaki Cave heißt der magische Ort. Wir kommen von oben an die
gigantische Höhle, oben in der Decke 2 gigantische Löcher, unten fließt ein
Fluss. Beeindruckende Kullisse, bester Fels, ein gelevelter Spot und ein
BigSwing der Extraklasse wären möglich. Voll Vorfreude wollen wir nur noch kurz
essen und dann endlich schlafen um am nächsten Morgen mit dem Riggen zu
starten.
Mitten in Rumänien |
Wir beschließen, unser Camp etwas unterhalb der Höhle an
einem Fluss zu errichten, den man gut mit dem Auto erreichen kann. Auf dem Weg
dorthin taucht plötzlich eine kleine Bauhängerwohnung auf, davor ein großer,
grimmiger Hund. Als wir anhalten kommt ein dicker Bulgare raus und gibt uns zu
verstehen, dass wir hier weg müssen. Er geht kurz wieder rein und kommt mit
einer Pistole im Halfter wieder raus. Wir sollen gehen, wiederholt er. Es kommt
trotzdem tatsächlich zu einer Art Gespräch, die Regierung hat jedes Betreten
der Höhle untersagt. Wir fühlen uns sehr danach, diesen Mensch ernst zu nehmen.
Unendlich enttäuscht treten wir die Weiterfahrt an. Kurz essen, noch n RedBull
und die nächsten 5 Stunden Fahrt ziehen holprig durchs Land.
Bewegungs- und denkunfähig fallen wir auf einer Wiese in
komatösen Halbschlaf.
nach der traurigen Devetaki-Nachricht |
Der nächste Morgen ist klassisch. Wer im Dunkeln ankommt,
ist am nächsten Tag immer völlig überwältigt vom eigentlich Landschaftsbild.
Ein Hirte treibt seine Schafe an uns vorbei und lässt sich kaum stören, um uns
herum sind schneebedeckte Berge und einzelne malerische Felstürmchen. Wir
fahren noch ca. 30km weiter, bleiben alle Nase lang stehen und strecken uns die
Hälse aus den Fenstern wund. Die Türmchen werden zu gigantischen Massiven,
Türmen, Nadeln. Bis zu 80m hoch ragt das Konglomeratgestein über uns empor. Die
absolute Symbiose aus Meteroa mit Gestein und Höhe sowie Ostrov mit seinen
unendlich vielen Möglichkeiten und Felstürmen... We're psyched, yo! Alle Mühen
sind vergessen.
chillen an unserer 1. Highline "Kaletoris" |
Helmar arbeitet am Fixseil |
2 Tage rennen und klettern und spielen wir durch die
Gegend auf der Suche nach geeigneten Spots. Die alte Optikkrankheit schlägt
wieder zu. Schaut man von der einen Seite, sieht alles gut aus. Läuft man nur
10m weiter, sind die Felsen plötzlich unterschiedlich hoch, kommt man schließlich
dort an, ist der Gegenpart 100m weit entfernt oder zu dünn oder jetzt viel zu
niedrig oder am besten gleich garnicht mehr vorhanden. Alles was wir finden ist
uns zu niedrig, nicht exponiert genug oder einfach allgemein nicht lohnenswert
genug um die lange Fahrt und den Aufwand zu rechtfertigen.
Entgegen der Empfehlung erst einmal nichts in Sichtweite
der Stadt zu machen, fahren wir am frühen Abend zurück, mitten ins Hauptgebiet.
Erstmal was essen, am besten von einem nahegelegenen Massiv mit guter Aussicht.
So führt uns purer Zufall direkt vor Spot #1...
Fabian Rupprecht entspannt auf der "Kaletoris"-Line |
Am nächsten Tag gibt's 2 Teams. Flo, Fabi und Clemens
bohren und riggen an der Massivseite, Hannes und ich müssen die erste
Psychokletterei starten. Erstens psycho, weil man fast immer selbst absichern
muss. Das ginge eigentlich noch ganz gut, wenn das Gestein gut wäre. Man greift
einen Kiesel und hat ab dann 'ne gute 50/50 Chance das er hält. Jederzeit
könnten beide Tritte oder Griffe oder eine andere lustige Kombination aus
beidem oder allem einfach nicht mehr da sein. Die beste Alternative liegt
darin, fragile Kiesel auszubrechen und dann in das neu entstandene Loch zu
fassen. PSYCHO! Packt die Helme ein. Außerdem habe ich den Kletterführer zu
Hause vergessen, wir müssen also auf gut Glück unserer Nase hinterher klettern
und hoffen das es klappt. Es klappt.
60m Jümaralptraum |
Clemens kurz vor'm HM der "Kaletoris" |
Die erste Line läuft also vom Massiv am Campingplatz (3 BH
in einer Rinne) zum Riesenbaby (ebenfalls 3 BH). Wie immer 42m lang. Überhaupt
erinnert alles sehr an "For your eyes only" in Meteora. Gestein,
Fixpunkte, Umgebung. Nur alles irgendwie niedriger und netter. Wie auch immer,
sauschöne Line, gerigged mit WhiteMagic und Dynamo-Backup, so wie ichs gern
hab. Ich bekomme die Erstbegehung, irgendwie will sonst keiner. Gerne, denk ich
mir und im zweiten Anlauf steh ich auf der anderen Seite. Die erste richtige
Line im Jahr fühlt sich herrlich an, noch 2 mal in den Chongo und ich bin
zurück. Name ist "Kaletoris", angelehnt an die Festungsanlage im
Herzen Belogradchiks. Die anderen machens mir zügig nach, nur Clemens braucht
seine Zeit. Er kann sich aber am nächsten Tag seinen bis dahin längsten HM
abholen. Irgendein Bulgare filmt ihn und setzt den Spot auf Facebook. Innerhalb
kürzester Zeit starten die wildesten Diskussionen, leider in Bulgarisch. Die
Übersetzung lautet in etwa so: "FAKE!" HarHar!
Clemens bei der Erstbegehung von "Mexiko" |
Der nächste Spot ist nur für's Auge. Hannes muss die Drecksarbeit machen und vorsteigen. Der Schwierigkeitsgrad schnellt in die Höhe, dafür gibt es wohl 'ne vierte Begehung überhaupt auf den Reiter. Die Nadel ist viel zu dünn bzw. steht halt im Weg, nach endlosen Diskussionen wird zumindest genau dieses Projekt abgebrochen. Geriggt wird dann mit TT direkt daneben vom Pferd rüber zum Kloster. 28 zarte Meter in der selben Höhe. Ohne Spuren, aber mit Beweisfots wird alles wieder verlassen. Alle FM OS, außer Clemens, da fehlt das On-Sight aber er bekommt die Erstbegehung. Projektname ist "Mexiko", wer weiß wieso? Flo und Hannes tricken sich noch müde, ein Zustand der uns langsam alle beschleicht und nicht mehr so richtig weg will.
Helmar läuft bei bestem Licht "Godmode on" |
Neuer Tag, wieder klettern, wieder schleppen, wieder
riggen und vor allem wieder mit Rucksack jümarn. Der Spot heißt
Gemeinschaftsturm und wurde bereits 1969 erstbestiegen. Ein riesiger Block, der
ein gigantisches Dach bildet ist Ausgangs- und Entscheidungspunkt für diese
Line. Ich darf diesmal vorsteigen, Flo und Fabi seilen sich am
gegenüberliegenden Massiv ab um zu bohren. Es kostet uns den ganzen Tag die
Line aufzubauen. Der Wind weht brutal und bewegt die Line in kraftvollen Schwingungen.
Es ist ein einziger Kraftakt den Flaschenzug still zu halten um nur allein die
Potenz vorschieben zu können. Das Metal schlägt die Finger blutig, auf der
anderen Seite sieht es ähnlich aus.
Am Abend will dann komischerweise niemand mehr laufen. Nicht
mal den Versuch wagen. Der Wind ist fast weg, das Licht noch ausreichend und
die Line liegt getapt vor uns. 48m lang, 50m hoch, wieder WhiteMagic mit
Dynamoseil. Obwohl ich bereits eine Erstbegehung habe, tue ich das in meinen
Augen einzig richtige und starte. Der Kampfmodus springt an. OS FM darf ich mir
danach in die Statistik schreiben. Dieser "Diebstahl" wird mir zwar
übelgenommen, war aber tatsächlich das Richtigste, wie sich am nächsten Tag
zeigt.
Helmar im Godmode.* |
Regen in der Nacht macht das Setup extrem schwer. Es ist
arschkalt, jeder hat an was er hat, wir frieren trotzdem. Nur ich komme
nennenswert weit. 5m vorm Ziel schüttelt's mich dann doch ab. Kein Kampfgeist
mehr, ich bin's ja schon gelaufen...
Blickfeld nach dem 2. Rajiki |
Entsprechend gibt's 'nen Namen: "Godmode on"
(aka "Merinomops" aka "Möpse und Rajiki"). Als wir am Abend
zurück zum Auto kommen, feiert uns die spärliche Landbevölkerung für die
Aktion. Es gibt Schnaps und Bier, schlechtes Englisch und ähnlich schlechte
bulgarische Dancemusik. Die Gastfreundschaft ist riesig, wir müssen unbedingt
weg, bevor sie uns allen Alkohol einschenken den sie haben...
Flo versucht das Unmögliche, fühlt sich aber trotzdem "Xylobromic!" |
Nebenan beginnen wir zusätzlich eine weitere Line zu
spannen, welche der Auslöser für die wohl massivste schlechte Laune des Urlaubs
werden sollte.. Unser WorkLoadLimit ist seit einiger Zeit erreicht und wir hocken
darüber hinaus 24/7 aufeinander. Riggen ist im Gegensatz zum eigentlichen
Laufen in meinen Augen das deutlich schwierigere und wichtigere beim Highlinen.
Es zeigte sich, das wir trotz mehrerer gemeinsamer Trips mitunter doch sehr
unterschiedliche Ansichten über einbohren und spannen haben.
Flo mit 70m Luft unterm und noch 60m Line vor'm Arsch. |
Das TT reicht gerade so, wir müssen sogar noch einen Meter mit dem Pulley rausziehen bevor wir es in die Banane kriegen. Macht ziemlich genau 46m Länge zwischen Verlassener Wand und Hohem Turm. Das Band ist mit der Unterseite nach oben und läuft 90° verdreht aus dem Fixpunkt, der ganze Aufbau hat effektiv 2 ½ Tage gedauert... Naja, sicher ist es trotzdem also wird letzten Endes gelaufen. Fabi startet und legt definitiv die spannendste Begehung des Trips hin. Mehrfach läuft er über die Mitte und muss dann catchen. Mehrfach will er schon aufgeben, wir motivieren ihn weiter zu machen. Die Line ist an keiner Stelle ruhig zu kriegen, man sieht seine kontinuierliche Anstrengung, immer wieder fällt er fast. Das selbe Spiel auf dem Weg zurück. "Challenge Exepted" ist der passende Titel.
Fabi ascended first und excepted die Challenge. |
Fabi spielt.* |
Double Knee auf dem Zügel des Kamels.* |
Ausserdem danke an Hannes Olszewski und Clemens Augustin (*)
für die Fotos, Landcruising für's Material, Skylotec für's Material, Makita für
die Makita, Deuter für den Rucksack, Yulian für den Support, Elke für den
Bulgarientip und die Organisationshilfe, den ebenfalls dortigen Sachsen für
Tips und Topo und Almus für die schönen Abende.
FM - FullMan, Highlinebegehung in beide Richtungen
HM - HalfMan, Highlinebegehung in eine Richtung
OS - OnSight, im ersten Versuch
Swami - lebensrettender Bauchgurt, in den man aber nicht
stürzen sollte
TT - Threaded Tubular, das Schlauchband im Schlauchband
BH -
Bohrhaken
Einfach nur geiler Artikel Helmar! Ganz grosses Kino! Wird Zeit, dass mal anstaendige Videos von der Action gemacht werden...
AntwortenLöschenGruss
Flo
PS: Finger im Po...
merci und zum glück hab ich keinen preis für die auflösung verlost..
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